Die erste Eisenbahn 1835
Seit 1815 war der Deutsche Bund ein lockerer Zusammenschluß von 37 Staaten und vier Freien Städten. In diesem Staatenbund erkannten nun weitblickende Zeitgenossen die aussergewöhnlich große Bedeutung und die Möglichkeiten des neuen Verkehrmittels, der Dampfeisenbahn. So schreibt 1825 der Westfale Friedrich Harkort in der Zeitschrift „Hermann“: „Möge auch im Vaterlande bald die Zeit kommen, wo der Triumphwagen des Gewerbefleißes mit rauchenden Kolossen bespannt ist und dem Gemeinsinne die Wege bahnet.“ (1).
Friedrich List entwarf 1833 ungeachtet aller deutschen Kleinstaaterei für das ganze Deutschland ein Eisenbahnnetz, welches die spätere tatsächliche Entwicklung in wesentlichen Teilen vorwegnimmt (2). Doch zunächst war auf staatlicher Seite, insbesondere in Preußen, eine sehr zurückhaltende Reaktion zu verzeichnen.
In Bayern dagegen geruhte König Ludwig I. gegenüber dem Bürgermeister von Fürth am 27.09.1826 zu äussern, dass er den Bau einer Eisenbahn zwischen Fürth und Nürnberg nicht nur als wünschenswert, sondern als leicht ausführbar erachte. Seiner wärmsten Förderung und Unterstützung wolle man sich versichert halten. Schließlich wurde am 18.11.1833 auf Initiative von Johannes Scharrer eine Aktien-Gesellschaft für den Bau und Betrieb einer Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth gegründet. Das Aktienkapital in Höhe von 132.000 Gulden wurde rasch gezeichnet. Im März 1835 begann der Bau der 6,04 Kilometer langen Strecke. Im Mai wurde direkt bei der Stephenson’schen Lokomotivfabrik in Newcastle upon Tyne eine Schlepptenderlokomotive bestellt, welche den Namen Adler erhielt. Es war eine Patentee-Type mit der Fabriknummer 118.
Die zerlegte Lok wurde am 3. September verfrachtet und gelangte am 26. Oktober nach Nürnberg. Am 16. November begannen die Probefahrten, die zur vollen Zufriedenheit der Bahngesellschaft verliefen: „Große Freude gewährte uns der Erlang des – als ADLER von uns benannten Dampfwagens, und viel Beruhigung empfinden wir nun, ein so allgemein bewundertes Kunstwerk mit seinen hundert Teilen binnen 3 Wochen aufgestellt zu sehen, und anwendbar für unsere Bahn und andere Verhältnisse zu finden. Das Urteil mehrerer sachverständiger Personen lautet einstimmig, bei dem berechneten Preis von 850 Pfd. St. (17.364,65 Mark) nicht übervorteilt worden zu sein. Er hat eine Schwere von 120 bay. Zentnern und wird auf 12 bis 15 Pferdekräfte taxiert.“
Die Lokomotive hatte die Achsfolge 1’A1’, das heißt eine Vor- und eine Nachlauflaufachse mit kleinen Rädern sowie eine mittig angeordnete Treibachse mit großen Rädern. Am 7. Dezember 1835 eröffnete sie zusammen mit neun im Fränkischen gebauten, kutschenartigen Personenwagen den ersten Dampf-Eisenbahnbetrieb in Deutschland von Nürnberg nach Fürth. Die Gesellschaft durfte den Namen „Kgl. priv. Ludwigs-Eisenbahn-Gesellschaft“ führen. Der Bahnbau einschließlich Beschaffung der Betriebsmittel erforderte rund 350000 Mark, wobei der Tagelohn der bei Bahnbau beschäftigten Arbeiter 40 Pfennige betrug (3).
Die ungewohnt schnelle, mechanisierte Fortbewegung löste wie stets bei Neuerungen auch Furcht aus und das nicht nur beim einfachen Publikum. Das Bayrische Obermedizinal-Kollegium schrieb in einem Gutachten: „Die schnelle Bewegung muß bei den Reisenden unfehlbar eine Gehirnkrankheit, eine besondere Art des Delirium furiosum, erzeugen. Wollen aber dennoch Reisende dieser grässlichen Gefahr trotzen, so muß der Staat wenigstens die Zuschauer schützen, denn sonst verfallen diese beim Anblicke des schnell dahinfahrenden Dampfwagens genau derselben Gehirnkrankheit. Daher ist es notwendig, die Bahnstrecke auf beiden Seiten mit einem hohen, dichten Bretterzaun einzufassen. (Sehr viel später werden hohe Zäune Realität, wenn auch aus anderen Gründen, nämlich dem Schutz vor Lärm).
Andererseits gab es auch größten Respekt gegenüber der Technik und den Personen, die sie beherrschen sollten. So erklärt sich wohl, warum die Ludwigseisenbahn ihrem „Ersten Dampfwagenführer“ William Wilson, der sozusagen mit der Lok aus England importiert worden war, in den ersten Betriebsjahren erheblich mehr Gehalt zahlte als dem Direktor der Eisenbahngesellschaft. Untypisch jedoch war in Nürnberg die Ursache zum Bahnbau gewesen. Nicht vornehmlich zum Zwecke des Frachttransports, sondern primär für den Transport von Personen ist die Ludwigseisenbahn gebaut worden. Die erste Fracht einige Monate nach der Eröffnungsfahrt bestand aus zwei Fässern Bier der Nürnberger Lederer Brauerei für den Wirt der Gaststätte „Zur Eisenbahn“ in Fürth - mehr eine geniale Werbe-Aktion als pure Notwendigkeit, warb doch die Brauerei noch Jahrzehnte später mit dieser Pioniertat. Die Kosten für den Transport lagen übrigens bei 6 Kreuzern pro Faß. Die Lokomotive ADLER verrichtete 22 Jahre lang auf der Ludwigseisenbahn ihren Dienst und wurde schließlich verschrottet. Eine betriebsfähige Nachbildung der Lok und einiger Wagen wurde für die 100-Jahrfeier der deutschen Eisenbahnen 1935 angefertigt und ist noch heute im Verkehrsmuseum in Nürnberg zu besichtigen.
Eisenbahnstrecken bis 1840
In den 5 Jahren nach 1835 wurden Eisenbahnen mit einer Gesamtlänge von 443 Kilometern in Deutschland eröffnet (4).
Leipzig – Dresden
24.04.1837 Leipzig – Althen 10,6
12.11.1837 Althen – Borsdorf – Gerichshain 4,3
11.05.1838 Gerichshain – Machern 2,9
19.07.1838 Weintraube – Dresden 8,2
31.07.1838 Machern – Wurzen 8,0
16.09.1838 Wurzen – Dahlen 17,5
Oberau – Coswig – Weintraube 13,4
03.11.1838 Dahlen – Oschatz 9,6
21.11.1838 Oschatz – Riesa 13,1
07.04.1839 Riesa – Oberau 28,5
116 km
Potsdam - Berlin
22.09.1838 Potsdam – Zehlendorf 13
29.10.1838 Zehlendorf – Berlin 13
26 km
Braunschweig - Harzburg
01.12.1838 Braunschweig – Wolfenbüttel 20 km
Düsseldorf - Elberfeld
20.12.1838 Düsseldorf – Erkrath 8 km
Magdeburg – Halle – Leipzig
29.06.1839 Magdeburg - Schönebeck (Elbe) 14,9
09.09.1839 Schönebeck - Saalebrücke bei Calbe 12,4
19.06.1840 Saalebrücke - Köthen 22,6
22.07.1840 Köthen - Halle 35,7
18.08.1840 Halle – Leipzig 33,2
119 km
Köln – Aachen - Herbesthal
02.08.1839 Köln – Müngersdorf 7
1840 Müngersdorf – Lövenich 3
10 km
Frankfurt – Wiesbaden (Taunusbahn)
26.09.1839 Frankfurt – Hoechst 9
24.11.1839 Hoechst – Hattersheim 6
13.04.1840 Hattersheim – Kastel 18
19.05.1840 Kastel – Wiesbaden 9
42 km
München - Augsburg
01.09.1839 München – Lochhausen
04.10.1840 Lochhausen – Augsburg
62 km
Berlin - Dessau
01.09.1840 Köthen – Dessau 21 km
Mannheim - Haltingen
12.09.1840 Mannheim – Heidelberg 19 km
(Badener Breitspur 1600 mm, wenig später auf Normalspur umgebaut)
Eine Streckenlänge von 500 Kilometern hatte das das englische Bahnnetz übrigens schon zum Zeitpunkt der Eröffnung der ersten 6 Kilometer Eisenbahn in Deutschland im Jahre 1835 erreicht. In Deutschland gilt die Strecke von Leipzig nach Dresden als die erste Fernbahn.
Eisenbahnindustrie
Die Fernbahn Leipzig - Dresden wurde mit der ersten brauchbaren Lokomotive deutscher, hier sächsischer Konstruktion und Fabrikation eröffnet. Johann Andreas Schubert, Direktor der Maschinenbauanstalt Uebigau bei Dresden und Professor am Polytechnikum Dresden war der Erbauer der Lokomotive, die selbstverständlich den Namen „Saxonia“ erhielt. Die „Saxonia“ hat die Achsfolge B 1’, also zwei gekuppelte Achsen mit großen Rädern, von denen eines angetrieben, das andere durch die Kuppelstangen mitgenommen wurde, sowie eine Nachlaufachse mit kleinen Rädern. Diese Lokomotive, wie auch einige andere in Deutschland hergestellte Maschinen waren Einzelstücke, die in eher kleinen handwerklichen Betrieben gebaut wurden.
Obskure Geschichten ranken sich um zwei „Dampfwagen“ aus der Königlichen Eisengießerei in Berlin, die nach dem Vorbild der Blenkinsop-Lok mit seitlichen Zahnradantrieb konstruiert waren. Die „Vossische Zeitung über Staats- und gelehrte Sachen“ berichtete am 9. Juli 1816 von einem ersten Dampfwagen, der sich auf einem Rundkurs im Hofe der Gießerei „in einem Geleise ohne Pferde und mit eigener Kraft dergestalt fortbewegt hat, daß er eine angehängte Last von 50 Zentnern zu ziehen imstande ist“. Der Zug fuhr mit einer Geschwindigkeit von 50 Metern pro Minute. Die Öffentlichkeit konnte von Anfang Juni bis zum 19. Juli diese Sensation gegen ein Eintrittsgeld von 4 Silbergroschen täglich von 9 bis 12 Uhr vormittags und von 3 bis 8 Uhr nachmittags bestaunen (5). Diese Lokomotive war gebaut worden, um für das Bergwerk Königsgrube in oberschlesischen Königshütte die Pferde als Zugtiere von Lastenzügen zu ersetzen.
Als sie endlich am 23. Oktober 1816, nach einem mühseligen Transport auf dem Wasserwege am Bestimmungsort ankam, passten ihre Radsätze angeblich nicht in die Spurweite der dort verlegten Gleise. Zudem gab es erhebliche Probleme mit Kessel und Zylindern. Die Lokomotive konnte nie für ihren eigentlichen Zweck in Betrieb genommen werden und ist dann verschollen. Ein ähnliches Schicksal erfuhr eine zweite, sehr ähnliche Lokomotive aus der Königlichen Eisengießerei, die für eine Zeche im Saarland bestimmt war. Am 5. Februar 1819, in acht Transportkisten verpackt, in Geislautern bei Völklingen angekommen, war sie nach dem Zusammenbau nicht zu bewegen, mehr als „20 oder 30 Fuß vor- und rückwärts zu rücken, wobei sehr oft durch Schieben oder Stoßen hat Hilfe geleistet werden müssen“. Auch dieses zweite Exemplar konnte trotz langjähriger Bemühungen nicht einsatzbereit gemacht werden und wurde schließlich 1823 abgestellt. Elf Jahre später wurde sie verschrottet. Gelten die beiden Maschinen zwar als die ersten Dampflokomotiven auf dem Kontinent, so endeten diese Bemühungen der Königlichen Eisengießerei um den Lokomotivbau jedoch letztlich erfolglos (6, 7).
Erst mit dem 24. Juli 1841 begann die Geschichte einer deutschen Eisenbahnindustrie. An diesem Tage fand in Deutschland ein Lokomotivrennen statt. Eine Maschine aus der Stevenson’schen Produktion maß Ihre Leistungsfähigkeit mit der ersten Lok, die in der Eisengiesserei von August Borsig in Berlin hergestellt wurde. Die Wettfahrt führte von Berlin auf der Anhalter Eisenbahn nach Jüterbog. Borsig fuhr zuerst, mit zehn Minuten Abstand folgte die englische Lok, und tatsächlich durchfuhr Borsig die Strecke schneller als der Engländer, der erst 20 Minuten nach Borsig in Jüterbog eintraf (8). Die nachmaligen A. Borsig Lokomotivwerke AG werden schließlich bis zum Jahre 1954 in Berlin 13.266 Lokomotiven produzieren. Neben Borsig begründeten viele andere Firmen den Weltruf der deutschen Eisenbahnindustrie, darunter die Lokomotivfabrik Arnold Jung, Jungenthal vor den Toren des Siegerlandes.
Privatbahn versus Staatsbahn
Alle Eisenbahnen in Preußen und auch anderen deutschen Ländern mit Ausnahme Braunschweigs waren anfangs von Privatgesellschaften projektiert, gebaut und betrieben worden. Grundlage hierfür war im Staate Preußen das „Gesetz über die Eisenbahnunternehmungen“ vom 03. November 1838, welches den Bau und Betrieb als Sache von Privatunternehmungen vorsah, dem Staat allerdings umfangreiche Aufsichtsrechte einräumte. Übrigens enthielt dieses Gesetz einen Paragraphen, demgemäß auch andere Bahnunternehmen auf fremden Strecken gegen Entgelt fahren dürften, sobald drei Jahre nach Eröffnung der Strecke abgelaufen waren. Dies entsprach noch der Theorie, dass Eisenbahnen ebenso wie Strassen von jedermann beliebig genutzt werden können. Im Paragraphen 42 des Gesetzes behielt sich der preußische Staat die Übernahme der Privatbahnen in Staatsbesitz vor. Davon machte Preußen schließlich Gebrauch.
Die deutschen Eisenbahnen waren durch den Krieg 1870/1871 und die nachfolgenden Gründerjahre extrem beansprucht worden. Insbesondere bei den privaten Gesellschaften, die zu diesem Zeitpunkt noch den weitaus größeren Anteil der Strecken besaßen und betrieben (Tabelle 2), war für die notwendigen Erneuerungen und Reparaturen an Fahrzeugen und Strecken kaum Geld da. Unfälle häuften sich daher in nicht gekanntem Maße. Es hatte sich zudem als unmöglich erwiesen, einheitliche Tarife mit den Privatbahnen zu verwirklichen. So entstand aus Sicherheitsgründen, aus wirtschaftlichen Überlegungen und aus militärisch-strategischen Gründen mehr und mehr der politische Gedanke einer Staatsbahn, einer Reichseisenbahn, für die sich Otto von Bismarck neuerdings vehement einsetzte. In den Jahren nach dem gewonnenen Krieg und der Proklamation des Deutschen Kaiserreichs am 18. Januar 1871 in Versailles übernahm in Preußen, aber auch in anderen deutschen Ländern, tatsächlich der Staat die Privatbahnen, allerdings noch nicht als Reichseisenbahn, sondern zunächst als Eisenbahnen der Bundesländer. Als Beispiel aus dem Bundesland Preußen sei hier die Entwicklung der beiden Eisenbahngesellschaften aufgeführt, die unter anderem auch den Bau der beiden Hauptbahnstrecken ins Siegerland durchgeführt hatten.
Im Oktober 1843 wurde die private Bergisch-Märkische Eisenbahngesellschaft (BME) gegründet, und die Lizenz für Bau und Betrieb von Eisenbahnen am 12.07.1844 erteilt. Die BME kam sehr früh, nämlich bereits vier Jahre nach Gründung in finanzielle Turbulenzen, aus denen der Staat auf Betreiben des preußischen Ministers für Handel, Gewerbe und Öffentliche Arbeiten, August Freiherr von der Heydt, heraushalf. Allerdings wurde die Bedingung gestellt, dass die Verwaltung der Bahn an den Staat gehen müsse. Notgedrungen akzeptierten die Aktionäre und ein entsprechender Vertrag wurde am 14.09.1850 vom König genehmigt.
Am nächsten Tag schon übernahm Bau- und Regierungsrat Hübener die Verwaltung der Aktiengesellschaft unter dem Namen „Königliche Direktion der Bergisch-Märkischen Eisenbahngesellschaft“, ab 1854 in „Königliche Eisenbahndirektion in Elberfeld“ umbenannt. Sie war die erste staatliche Eisenbahndirektion in Deutschland. Die BME wurde nun staatlich verwaltet, blieb aber in Privatbesitz. Per Gesetz vom 28.03.1882 wurde die BME schließlich gegen Staatsschuldverschreibungen in Höhe von 262,5 Millionen Mark in allen Teilen verstaatlicht. Mit der BME kamen 768 Lokomotiven und 21607 Waggons sowie 1336 km Strecke an den preußischen Staat.
Die Gründung der privaten Cöln-Mindener Eisenbahngesellschaft (CME) war am 09.10.1843 notariell beurkundet worden, worauf am 18.12.1843 die Statuten dieser Bahngesellschaft vom König bestätigt wurden. Die CME hatte nach Abkühlen des Eisenbahnfiebers der ersten Jahre, allerdings sehr viel später als die BME, finanzielle Schwierigkeiten, da für die Bahnbauprojekte und die Unterhaltung der bestehenden Bahnlinien ungeheure Summen Geld aufgebracht werden mussten. Die Aktionäre alleine konnten diese Mittel nicht mehr bereitstellen. So sprang auch hier der Staat ein, hatte doch der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck bereits seit 1866 weitgehende Verstaatlichungspläne verfolgt. Das preußische Abgeordnetenhaus entschied am 29.10.1879 über den „Ankauf“ von vier großen Privatbahnen, darunter die CME. Die Stammaktien der CME wurden per Gesetz vom 20.12.1879 für 175,5 Millionen Mark übernommen, hauptsächlich gedeckt durch Staatsschuldverschreibungen, und Zuzahlungen an die Aktionäre in Höhe von 1,17 Millionen Mark geleistet. Damit gingen 619 Lokomotiven, 17033 Wagen und 1108 km Bahnstrecke nebst sonstigen Einrichtungen der CME an den preußischen Staat.
Am 01. Februar 1880 wurde die „Königliche Direction der Cöln-Mindener Eisenbahn“ in Köln eingerichtet. Nach einer Umstrukturie-rung gab es dann ab dem 01. April 1881 zwei Eisenbahndirektionen in Köln, wovon die „Königliche Eisenbahndirection zu Cöln (rechtsrheinisch)“ für den Bahnbetrieb auf den Strecken der ehemaligen CME zuständig war.
Tabelle 2
Jahr Gesamtstreckenlänge davon staatlich davon privat
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1876 17 144 4 409 12 735
1877 17 911 4 804 13 107
1878 18 537 5 255 13 282
1879 19 670 6 049 13 621
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1880 19 595 11 245 8 350
1881 19 879 11 398 8 481
1882 20 747 14 035 6 712
1883 21 564 18 431 3 133
1884 21 670 19 486 2 184
1885 23 266 21 027 2 239
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Auf diese Weise entstanden also zwangsläufig die sogenannten Länderbahnen in den deutschen Bundesstaaten. Der Staat sorgte nun für den sicheren Ablauf des Bahnbetriebs durch ein strenges Regelwerk. Nach Gründung des Deutschen Reiches im Januar 1871 läßt sich die Reichverfassung dazu in Artikel 42 wie folgt aus: „Die Bundesregierungen verpflichten sich, die deutschen Eisenbahnen im Interesse des allgemeinen Verkehrs wie ein einheitliches Netz zu verwalten und zu diesem Behuf auch die neu herzustellenden Bahnen nach einheitlichen Normen anlegen und ausrüsten zu lassen.“ Nicht zuletzt waren strategisch-militärische Überlegungen maßgebend für die Übernahme der Eisenbahnen durch den Staat, hatte sich die Bahn doch als Transportmittel für Truppen und Material im Kriege von 1870/71 hervorragend bewährt. Kein Wunder also, dass Betrieb und Verwaltung der Staatsbahnen nach militärischem Vorbild organisiert wurden. Zudem garantierte die Fürsorgepflicht des Staates gegenüber seinen Soldaten, daß diese bevorzugt Stellungen als Lokführer oder Heizer bekamen. Das sprichwörtliche „Heer der Eisenbahner“ wuchs. Die sogenannten Militäranwärter fanden bei der Bahn die gewohnte Hierarchie und als deren sichtbarem Ausdruck sogar schmucke Uniformen vor. Schienennetz und Bahnbetrieb wurden nun in allen Bundesstaaten, in Perfektion aber in Preußen als eine technische Einheit begriffen, die in vielerlei Weise dem Staate, seinen militärischen Interessen und der Entwicklung seiner Wirtschaft dienlich sein sollte.
Vor allem aber profitierte der Staat jetzt in finanzieller Hinsicht von der Verwaltung und dem Betrieb der Eisenbahnen, finanzierten nun die Überschüsse der Eisenbahnverwaltungen die Staatshaushalte in erheblichem Maße. Insbesondere in Preussen gab es keine Trennung von Eisenbahnhaushalt und Staatshaushalt. Der Staat nutzte den so gewonnenen finanzpolitischen Spielraum zu politischer Gestaltung, was unter privatwirtschaftlicher Leitung nicht denkbar gewesen wäre. Sonder- und Notstandstarife wurden gewährt, um zum einen konkurrenzfähig gegen über ausländischen Produkten zu werden und zum anderen Standortnachteile einzelner Regionen des Landes auszugleichen und für halbwegs gleiche wirtschaftliche Bedingungen und Beschäftigung der Menschen zu sorgen.
Literatur: