Zahlreiche Werksbahnen für Gruben, Hüttenwerke, Steinbrüche und die Maschinenbauindustrie entstanden im Siegerland und umliegenden Regionen. Sie alle aufzuführen, würde den Rahmen dieser Präsentation sprengen. Daher sei verwiesen auf die Publikation von Christopher, Moll und Schönberger „Privat- und Werksbahnen im Siegerland", erschienen 1995 im Verlag Kenning in Nordhorn. Im Folgenden soll zunächst die Werksbahn der Firma Waldrich in Siegen näher beschrieben werden. Da-nach folgen Fotos und Informationen zu einigen weiteren Werksbahnen.
Entwicklung der Firma Waldrich von 1840 bis 1937
Seit dem Jahre 1840 stellte der Schlossermeister Heinrich Adolf Waldrich „technische Hilfsmittel“ für die aufstrebende Siegerländer Eisenindustrie her. Zunächst firmierte der Betrieb unter „Gebrüder Breitenbach und Waldrich“, ab 1. Januar 1847 unter „Waldrich Schlossermeister zur Sieghütte“. Nachdem anfangs Reparaturen für den Bergbau und die Lederindustrie mit nur zwei Mitarbeitern ausgeführt wurden, hatte 1874 die nunmehrige Maschinenfabrik H. A. Waldrich zu Sieghütte 215 Arbeiter und produzierte für mehr als 1 Millionen Mark Maschinen, darunter auch Dampfmaschinen bis zu 30 PS. Um die Jahrhundertwende konzentrierte sich das Geschäft auf Schwerst-Werkzeugmaschinen aller Art. Durch ständige Innovationen hatte sich die Firma einen guten Ruf erarbeitet. Im Jahre 1924 wurden rund 300 Arbeiter und Beamte im vergrößerten Werk beschäftigt. Auf der Sieghütte kam 1934 das Werk II durch Kauf hinzu. Dennoch reichten die Fertigungskapazitäten nicht für die ständig zunehmenden Aufträge aus dem In- und Ausland. So wurde im Jahr 1936 das Werk „Oechelhäuser“ der Siegener Maschinenbau A.G. übernommen und als Waldrich-Werk III bezeichnet. Dieses Werk lag im unteren Leimbachtal am Fuße des Häusling an geschichtsträchtigem Ort: An dieser Stelle wurde auf Grund der reichen Erzvorkommen auf der Eisernhardt schon in der La-Tene-Zeit, also um 500 vor Christi Geburt, Eisen geschmolzen. Im 13. und 14. Jahrhundert war auf dem Gelände ein Nonnenkloster angesiedelt, das dem Heiligen Johannes geweiht war. Mitte des 18. Jahrhunderts wurde hier eine Mühle zum Walken von Stoffen errichtet. Die Nöh’sche Walkmühle wurde am 17. Juni 1818 von Johannes Oechelhäuser übernommen und in eine Papiermühle umgewandelt. Aus der Papierfabrik entwickelte sich dann eine Fabrik zur Herstellung von Papiermaschinen und bis 1848 eine der bedeutendsten Maschinenfabriken Deutschlands. Diese wurde später zum Werk Oechelhäuser der Siegener Maschinenbau A.G., das zuletzt längere Zeit stillgelegen hatte. Sofort nach Übernahme durch Waldrich wurden 1936 die Hallen von Werk III vergrößert und 1937 das gesamte Werk umgestaltet. Zudem wurde am südlichen Ende des Areals ein Lagerplatz für Großgußstücke mit einer Hofkranbahn darüber angelegt (Abb. 1).
Gleisanschluß und Lokomotiven von 1937 bis 1949
Das Waldrich Werk III erhielt 1937 einen Eisenbahnanschluß durch die Sankt-Johann-Strasse zur Wilhelmstrasse, wo die Strecke der Eisern-Siegener-Eisenbahn (ESE) erreicht wurde (Abbildung 2). Die ESE hatte zahlreiche Gleisanschlüsse zu bedienen. Deshalb mußten lange Güter-züge vom Bahnhof Hain zum Bahnhof Eintracht mitten durch die Stadt über die Frankfurter-, Wilhelm- und Koblenzer Strasse gefahren werden. Unter anderem wurden auch die schweren Werkzeugmaschinen der Firma Waldrich auf diese Weise der Staatsbahn zugeführt. Allerdings konnten die Lokomotiven der ESE die enge Kurve mit einem Radius von 35 Metern von der Wilhelmstrasse in die Sankt-Johann-Strasse nicht befahren. Aus diesem Grund hatte Waldrich für seinen Gleisanschluß stets eine eigene Lokomotive. Zunächst war das eine kleine, zweifach-gekuppelte Dampflokomotive, die bereits 1938 verkauft und verschrot-tet wurde. Vermutlich hat sich die Dampflok beim Befahren der Hallen-gleise durch den Abdampf nicht sonderlich gut bewährt. So folgte am 28.04.1938 eine nagelneue, 75 PS leistende Diesellok, die von der Lokomotivfabrik Arnold Jung in Jungenthal bei Kirchen mit der Fabriknummer 8077 hergestellt worden war (Abb. 3). Die Lok bleib bis zum 08.05.1947 im Werk und wurde dann als Reparationleistung nach Prag abgegeben, wo sie 1969 ausgemustert wurde. Während des 2. Weltkrieges wurden die Waldrich-Werke, vor allem aber Werk III erheblich ausgebaut, weil Waldrich ebenso wie andere Fabriken der Schwerindustrie zur Kriegsproduktion hergezogen worden waren. Die Erzeugung erreichte ihren Höhepunkt 1943, ebenso die Mitarbeiterzahl mit 1236 Beschäftigten. Auch 1944 wurde die Produktion auf hohem Niveau aufrechterhalten durch den Einsatz von Frauen und einer großen Zahl „ausländischer Mitarbeiter“. Danach versank alles in Schutt und Trümmer, denn die Luftangriffe der Alliierten galten vornehmlich den Anlagen der Schwerindustrie, so auch den Waldrich-Werken. Fünf Jahre lang ruhte jede Produktion, zumal nach Kriegsende die noch brauchbaren Anlagen zum großen Teil demontiert wurden. Dr. Oskar Waldrich, der Enkel des Firmengründers und damalige Eigentümer wurde von den einrückenden Amerikanern als Wehrwirtschaftsführer verhaftet. Im Mai 1949 wurde er vom Entnazifizierungsausschuß in Siegen freigesprochen und baute danach seine Werke in raschem Tempo wieder auf.
Werks-Lokomotiven von 1949 bis 1973
Für die Eisenbahn im Werk III wurde 1949 wiederum von der Lokfabrik Jung eine neue 80 PS-Diesellokomotive, Fabriknummer 10689 beschafft. Diese Lok wurde wie alle Waldrich-Loks mit übergroßen Rechteck-Puffern für enge Gleisradien ausgerüstet (Abb. 4). Am 09.11.1967 schied die Lok bei Waldrich aus und wurde an die Firma Büdenbender in Niederfischbach verkauft. Drei Jahre später wurde sie ausgemustert und auf einem Spielplatz in Niederfischbach aufgestellt. Seit 1994 steht sie beim Spielwaren-Großhandel Siegro, Niederfischbach.
Als Ersatz übernahm Waldrich am 10.11.1967 die gebrauchte Diesellok D1 von der Hafenbahn Krefeld (Abb. 5). Auch sie war von Jung herge-stellt worden und zwar 1952 als Type RK20B mit 210 PS Leistung unter der Fabriknummer 11569.
Schon zwei Jahre vor dem Umzug der Firma Waldrich von Siegen nach Burbach legte die ESE ihre Eisenbahnstrecke von Eintracht nach Hain still. Somit musste 1973 auch der Waldrich-Gleisanschluß aufgegeben werden. Nach dem Wegzug von Waldrich und der Demontage aller Anla-gen diente das Gelände zunächst als Parkplatz. Inzwischen wurden hier moderne Gebäude für Kreisverwaltung, Einzelhandel und Sparkasse errichtet.
Schicksal der letzten Werks-Lokomotive
Die letzte Waldrich-Lok gelangte über das Herstellerwerk Jung 1975 an die Norddeutsche Affinerie in Hamburg und von dort 1989 nach Moers zur Firma MaK, jetzt Vossloh Locomotives. Dort war sie als Leihlok und inner-betriebliche Rangierlok bis März 2005 tätig. Dr. Richard Vogel hat die Lok von Vossloh Locomotives erworben, um sie vor der Verschrot-tung zu retten. Nach den Vorstellungen des neuen Eigentümers sollte die Lok im ehemaligen Bw Siegen aufgestellt werden. Dort befindet sich derzeit das Südwestfälische Eisenbahnmuseum. Leider haben die Be-treiber aber die Aufnahme der Lok abgelehnt. Bedauerlicherweise wird damit auf die Ausstellung einer echten Siegener Lokomotive verzichtet, während die Exponate im Lokschuppen zum überwiegenden Teil nichts mit dem Eisenbahnbetrieb im Raum Siegen zu tun haben. Am 10. Juni 2005 wurde die letzte Waldrich-Lok im Bahnhof von Waldbröl aufgestellt (Abb. 6 und 7). Auf Grund von Streitigkeiten der Kommunen mit den Eisenbahnfreunden Wiehltalbahn um die Wiederaufnahme des Bahn-betriebs mußte die Lok zweimal umziehen und befand sich zuletzt im Eisenbahnmuseum Dieringhausen (Abb. 8). Weil die dortigen Eisenbahn-freunde die Lok nicht länger beherbergen wollten, mußte sie leider 2020 nach Hannover verkauft werden. Über ihr weiteres Schicksal ist nichts bekannt...
Referenz:
Alle Angaben zur Historie der Waldrich-Werke sind dem Buch „ Waldrich Siegen 1955, Festschrift zum 75. Geburtstag von Oskar Waldrich „ entnommen. Ebenfalls aus diesem Buch stammen die Abbildung 1 von Seite 161 „Lageplan Werk III“ und die Abbildung von Seite 159 „Foto Werk III“.
Die Grube Storch & Schöneberg wurde mit einer 2,6 km langen Bahn von Gosenbach nach Niederschelden an die Hauptstrecke Siegen-Köln angeschlos-sen. Die zunächst schmalspurige Bahn wurde 1922 auf Normalspur umgebaut. Im Jahre 1943 wurden Grube und Bahn aufgegeben.
Diese Aufnahme zeigt die Krauss-Lok 2395 von 1890 im Dienst der Grubenbahn vom Staatsbahnhof Dahlbruch nach Müsen zu den Gruben Wildermann und Stahlberg um die Jahrhundertwende. Gleichzeitig mit der Eröffnung der staatlichen Normalspurstrecke Kreuztal-Hilchenbach ging die Grubenbahn mit der ungewöhnlichen Spurweite von 706 mm in Betrieb. Nach Stilllegung der letzten Müsener Grube 1931 wurde auch die Bahn abgebaut.